Olympia GMBHvon Felix Steunzer
Olympia GMBH
Weltweit benutzt, ohne auf der Erde zu sein
In der 777. Etage gibt es nur ein Büro, jenes, das dem Geschäftsführer gehört. Von seinem Schreibtisch aus trifft er seine Entscheidungen, von dort aus sieht er die ganze Welt durch die Wolken, ohne selbst gesehen zu werden.
Eines Tages klopfte es unerwartet an seine Türe. Höflich wie immer bat er den unerwarteten Gast herein. Es war eine der vielen Bewohner des Olympus-Komplexes, eine komplett in weiß gekleidete Gestalt mit einer nichtssagenden Maske vor dem Gesicht. „Herr Heilig. . .“, stammelte die Gestalt leise, „Ich habe ein Anliegen.“ „Du kannst ruhig Gottfried sagen“, entgegnete der Geschäftsführer freundlich, „Worum geht es denn?“ „Ich. . . möchte leben“, erklärte der Besucher. Verwundert hob der Geschäftsführer eine Augenbraue, lächelte aber schließlich und sagte: „Da lässt sich sicher etwas machen.“
Er öffnete eine seiner Schubladen, kramte ein wenig und legte schließlich ein gerahmtes Bild auf den Tisch, worauf ein Bauernhof zu sehen war. „Nimm es einmal in die Hände“, riet er dem Besucher, und als die Gestalt dies tat, verwandelte sie sich in einen Bauern: Er trug Stiefel, eine Latzhose, ein kariertes Hemd und einen Sonnenhut. „In diesem Leben sind deine Eltern tüchtige Bauern, du wächst in einer friedvollen Gegend auf, nicht die belebteste, aber umso idyllischer. Eines Tages übernimmst du dann selbst die Farm deiner Eltern, und du wirst immer gut davon leben können. Und selbst das Familienleben ist bei Bedarf inkludiert. Klingt das gut für dich, mein Kind?“ „Ich weiß nicht. . .“, stammelte er unentschlossen, „Man kann doch nur einmal leben, da will ich doch etwas anderes.“ „Nun gut“, blieb Gottfried Heilig höflich, „Mal sehen, was sich noch finden lässt.“ Er nahm dem Bauern das Bild aus der Hand, und just in diesem Moment wurde aus ihm wieder die neutrale, weiße Gestalt.
Nun suchte der Geschäftsführer eine Schublade tiefer und holte wenig später ein kleines, buntes Hardcoverbuch heraus. „Nimm es wieder in die Hände“, bat er seinen Besucher. In dem Moment, als er das Buch berührte, verwandelte sich die Gestalt in eine blonde Frau: Sie trug einen formellen, grauen Anzug, hatte eine Brille auf und an ihrem Oberteil war eine Angestelltenkarte festgemacht. „Hier haben wir auch etwas Schönes“, wies Gottfried Heilig hin, „Du wirst in einer Großstadt geboren, in einfachen Verhältnissen. Im Laufe ihres Lebens wirst du stets zufriedenstellend in einem großen Büro arbeiten. In deiner Freizeit schreibst du Kinderromane, und es wird dir stets das Herz erfreuen, wenn du für die Kleinen vorliest.“ „Also. . .“, antwortete die Gestalt wieder leise, „Ich glaube, dass das auch nichts für mich ist. Mein Leben sollte anders aussehen.“
Der Geschäftsführer seufzte, nahm dem Besucher das Buch aus der Hand und legte es zurück in die Schublade. „Dann tut es mir leid mein Kind, ich kann dir leider nicht behilflich sein“, erklärte er seinem Gast, der mittlerweile wieder in seine personenlose Gestalt zurückgekehrt war, „Aber du kannst noch zu meinem Geschäftspartner Luzifer Unheilig gehen, der kann dir auch ein Leben schenken. Er hat sein Büro im 666. Kellergeschoss. Aber merke dir, du hast nur ein Leben, und das muss dir genug sein.“ Die Gestalt nickte, bedankte sich und verließ das Büro.
Gut fünf Dekaden später klopfte es wieder an der Tür des Geschäftsführers, er bat wie immer höflichst herein. Diesmal war es ein Mann mit zerzausten Haaren, einem abgenutzten Anzug und einer Aktentasche. „Herr Heilig. . . , Gottfried, meine ich“, begann er außer Atem zu erzählen: „Es war alles so schrecklich. Ich habe bei einer reichen Familie gelebt, meine Eltern habe ich selten gesehen. Ich hatte eine Firma gegründet, aber die Leute wollten immer nur Geld von mir. Drei Mal geschieden war ich auch, bis ich dann in meinen Fünfzigern einer Herzattacke erlegen bin.“ „Ich weiß, mein Sohn, ich weiß“, antwortete der Geschäftsführer. Bevor er noch etwas sagen konnte, fiel ihm der Besucher wieder ins Wort: „Aber davon hatte ihr Geschäftspartner doch gar nichts gesagt! Er hat bloß erwähnt, dass ich in eine reiche Familie geboren werden würde, dass ich einmal eine Firma haben würde und dass die Menschen ständig in meiner Nähe sein würden. Kannst du mir noch ein anderes Leben geben? Ich nehme auch alles, was du hast, solange ich nicht noch einmal zu diesem Herrn Unheilig muss.“ „Es tut mir leid, mein Kind“, entgegnete der Geschäftsführer traurig, „Aber man kann nur einmal leben.“
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