Schattenspielvon Merlind Raible
Ich schreite
auf schwarz-weißen Feldern
und mit jedem Tritt
erklingt das Ticken
deiner Uhr.
Ich gehe
vorbei an
Figuren.
Gemeißelter Marmor
und
schwarzer Basalt.
Ich ziehe
den weißen Turm,
f1:
Schach.
Deine Stimme zittert,
„Rückzug auf e8“
doch ich drehe mich nicht um.
Dame e6.
„Turm g7.“
Stille Tränen
laufen
meine Wangen
herab.
Läufer g5.
Und
wo sie
auf die
Quadrate fallen,
erblühen
dunkle Lilien.
Ich erinnere mich.
„Schwarze Dame auf d7.“
Sie,
die über dich redete, als wärst du
nur ein unterhaltsames
Spiel,
das man,
einiger Runden müde geworden,
durch ein Neues ersetzen kann.
Und du hast mitgespielt,
gehorsame Puppe.
In diesem Moment
habe ich
das feine Glas
zerbrochen,
mir die Splitter dorthin gebohrt,
wo es am meisten
brennt.
Weil ich nicht
zu einer
Spielfigur
in deiner
Partie
werden wollte.
Wellen schlugen gegen spitze Felsen,
spuckten mir kalten Tang entgegen.
In meiner Seele herrschte
Sturm.
Ich verbot mir, zu träumen,
Mitternachtsaugen.
Läufer g6: Schach dem König.
Und eine Zeit lang ist mein Herzschlag verstummt.
Warum weine ich
über dein Schweigen?
Verlassen
hast du mich gefunden.
in deine Arme
genommen.
Wenn du lachst,
sickert Licht
durch die Baumkronen.
„Turm schlägt Läufer.“
Ich habe keine Angst mehr
Vor der tobenden Flut,
dem Abgrund.
Weil ich weiß,
dass ein Teil von dir
auch mir gehört.
Weil ich gelernt habe,
mit deinem Schatten
zu tanzen.
Ich drehe mich um.
Weiße Dame auf g6.
Dein Blick ist
gesenkt,
du
weichst zur Seite.
„Schwarzer König auf d8.“
Turm f8: Schach dem König.
Noch einmal lässt du
die schwarze Dame
dazwischen ziehen.
Hörst du
die Zeiger?
Dame schlägt e8.
Jetzt erst schaust du auf.
Und
in deinen Augen
spiegele ich
mich wieder.
Nur,
dass ich,
statt
aus reinem Weiß,
zu gleichen Teilen auch aus
Schwarz
bestehe.
Du bist der Schatten.
Du bist das Licht.
„Matt“ – ein Hauch auf meinen Lippen.
Mitternachtsaugen,
wann wirst du lernen?
Jetzt beginnt das
echte Spiel.
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