Das Tor zur Unendlichkeit
Jedes Jahr fuhren wir in das alte Cottage in Cornwall. Nur Dad und ich. Doch dieses Jahr würden wir nicht allein sein, denn meine neue Stiefmutter Maria und ihre Tochter Lisa würden uns begleiten. Ich konnte Lisa nicht besonders leiden. Um sie in einem Satz zu beschreiben: Ein rosaglitzernder 13-jähriger Wirbelsturm, der mein ganzes Leben durcheinanderbrachte. Und zu allem Überfluss hatte Dad mir aufgetragen Lisa das Anwesen zu zeigen. Also wurde meine Freude erheblich getrübt als wir aus dem Auto stiegen. Schon die ganze Fahrt über war mir Lisa auf die Nerven gegangen und anscheinend hatte sich das Wetter entschieden sich an meine Stimmung anzupassen, denn der Himmel war wolkenverhangen und es wehte ein rauer Wind. Lisa war sofort begeistert als sie unser Cottage sah. Sie zog mich am Arm hinter sich her. Hilfesuchend sah ich zu Dad, doch der sagte nur, dass er sich um das Gepäck kümmern würde. Meine energiegeladene Stiefschwester zerrte mich in Richtung Klippen. Ich zeigte ihr alles, von der Felsentreppe, die in den Abhang gebaut war, bis hin zu meinem Lieblingsplatz. Den hatte ich eigentlich nicht vorgehabt herzuzeigen, doch so neugierig wie sie war hatte sie die Felsspalte sofort entdeckt und sich hindurchgezwängt. Gleich hinter der Felsspalte befand sich eine kleine Höhle, von der ein verzweigtes Höhlensystem abging, in welches ich mich noch nie getraut hatte. Lisa jedoch schien nicht das leiseste Fünkchen Furcht zu verspüren und zog mich in einen der Gänge. Hinter einer Ecke befand sich ein Raum und als wir vorsichtig einen Schritt nach vorn machten und eintraten, fühlte ich mich ganz seltsam. Es war, als hätten wir eine unsichtbare Schwelle überschritten. Ich sah verwundert zu Lisa, die in die Mitte des Raumes schaute, wo auf einem kunstvollen Sockel ein Buch mit einem Ledereinband lag. Als Lisa es aufschlug, staunten wir nicht schlecht, denn die Schrift und die Bilder waren so kunstvoll und detailreich gemalt worden, dass es uns die Sprache verschlug. In diesem Buch standen mehrere Geschichten, doch alle handelten von einem Cottage, zwei Personen, die die Gegend erkundeten, die Geschichte wie sie sich kennenlernten und einer Höhle, in der die Zeit stehen blieb. Wo man bis in alle Ewigkeit bleiben konnte und man das Gefühl hatte, das alles gut war. Ein Ort, wo man Freunde fand, die einen verstanden und schätzten, und wo es kein Ende gab. Ich wusste nicht warum, aber ich glaubte diese Geschichten. Es kam mir vor, als hätte es Stunden gedauert, bis wir zum letzten Kapitel kamen und in diesem stand etwas über unsere Ankunft vorhin und wie wir diese Höhle fanden. Der letzte Satz war: „Und so fing die Geschichte zwischen den beiden an. Ohne, dass sie wussten, was noch auf sie zukommen würde.“ Verwirrt und gingen wieder hinaus zum Auto, doch Dad war immer noch nicht fertig mit ausladen und als wir ihn fragten, warum das so lang dauern würde, sagte er, dass wir doch nur fünf Minuten weggewesen seien. Schockiert tauschten Lisa und ich einen Blick.
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