Granite Statevon Anna Lasinger
Wir begraben deine tote Katze im hinteren Teil des Gartens, unter einem Dach aus Ahornblättern.
Dein Haus liegt am Ende einer Sackgasse, inmitten eines Spinnennetzes aus verzweigten Ästen; die regennassen Fäden glitzern im Licht der Morgensonne.
Es riecht nach vermoderndem Laub und frisch gekochtem Kaffee.
Auf dem Weg zum Auto wird mein warmer Atem als Nebelschleier sichtbar.
Ein paar Meter vor der Einfahrt wurde ein Reh überfahren. Mein müder Blick schweift über den blutrot gefärbten Asphalt, die starren Augen des Tieres lassen mein Herz zersplittern. An der nächsten Kreuzung überquert ein Eichhörnchen unversehrt die Straße.
Am höchsten Punkt stoppst du den Wagen und lässt den Motor laufen. Du lehnst dich aus dem Fenster, genießt die Sicht auf den Flickenteppich, den die Berge vor uns weben, deine Haare wehen im Wind.
Der leere Raum zwischen uns füllt sich mit klarer Luft und ungesprochenen Worten.
Erst als du dich wieder dem Lenkrad zuwendest, sehe ich die Tränen über deine Wangen laufen. Sie münden in einen Bach, der über braunrotgesprenkelten Granitboden durch dieses fremde Land ins Meer fließt.
Meine Finger schließen sich um den wärmenden Einwegbecher. Die Haut an meinen Händen ist rau, meine Nägel sind blutig – ein äußeres Zeichen der Unruhe in meinem Inneren.
Das Labyrinth in meinem Kopf hat weder Ausgang noch Eingang: ein Gewirr aus Einsamkeit und berauschendem Glück.
Gedanken rasen wie Autos über einen Highway, tragen Gefühle von den Fingerspitzen bis in die Zehen. Vor meinen Augen blinkt ein rotes Stoppschild, es warnt vor einer Baustelle in mir. All die Eindrücke, die Momentaufnahmen wirbeln durch meine Gedanken wie bunte Herbstblätter.
Ein Stück Popcorn schmilzt auf meiner Zunge. Es schmeckt süß und salzig zugleich.
Abends werden im Schein der Straßenlaternen dieser Kleinstadt Verstecke zu Schaufenstern.
Ich schaue in den Spiegel und sehe dich:
Diese veränderte Person mit nachtschwarzen Schatten unter Sternenaugen.
Dein Gesicht wirkt anders als zuvor, geformt von früher unbekannten Orten.
Vor meinem Fenster breiten sich am Firmament Räume ins Unendliche aus und ziehen sich wieder zusammen. Du fragst mich, an welchem Punkt alles aus dem Nichts entsteht? – Doch jedes Mal, wenn ich kurz den Blick abwende, ist nichts mehr wie zuvor.
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