Lieber ein offenes Ende. . .
Ich liege nachts wach in meinem Bett. Der Cursor meines Laptops blinkt, als wollte er mir vorwerfen, dass ich nicht schreibe. Der Zeitdruck sitzt mir im Nacken. Doch die Zeilen bleiben leer. Ich weiß nicht, wohin ich will. Was ist das Ziel, was das Ende der Geschichte? Wie soll ich meine Geschichte schreiben, wenn mir der erste Satz so schwer fällt?
Die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen und ich verliere die Zeit aus dem Blick. Stimmen flüstern mir bedrohlich zu, dass ich erwachsen werde. Sie erinnern mich daran, dass es Zeit wird, herauszufinden, wofür ich brenne, bevor eines Tages mein Feuer ausgeht. Doch ich weiß nicht, wer ich bin, oder, was ich will. Sind meine Wut und mein Schmerz alles, was mich ausmacht? Kann ich nicht auch hoffnungsvoll sein?
Ich kann nicht länger denken. Denken lässt meinen Kopf schmerzen. Denken ist mir gerade zu viel.
Ich schließe den Laptop und nehme das Handy. Sofort springen mich schlechte Nachrichten an.
-Dieser September war der wärmste seit Messbeginn- -1, 5 Millionen armutsgefährdete Menschen in Österreich- -3 von 4 Frauen erleben sexuelle Belästigung. Für 99 Prozent der Betroffenen hat das Erleben sexueller Gewalt negative psychische oder körperliche Folgen- -bei Menschen im Alter von 15 bis 19 ist Suizid die vierthäufigste Todesursache-
Die Welt steht unter Wasser, und ich ertrinke in Problemen, die älter sind, als meine Vorstellungen zurück reichen. Es zerfrisst mich von innen heraus, dass ich es nicht aufhalten kann.
Ich schleudere mein Handy in die Ecke, das mich davon überzeugen will, dass die Welt untergehen wird. Ich bin überfordert und hilflos. Was kann ich als einzelner Mensch überhaupt bewirken? Ich will mich nicht so hilflos fühlen. Ich will meine Geschichte so schreiben, dass sie uns alle weiterbringt. Es fühlt sich nicht richtig an, das Leben zu leben und dabei immer nur wegzusehen. Wegzusehen, während wir der Erde ein zu frühes Ende bereiten.
Manchmal liege ich nachts wach und frage mich, wohin das alles führt. Wissenschaftler*innen sagen uns, dass wir schon viel zu tief in der Scheiße stecken. Selbst sie haben die Klimaerwärmung unterschätzt. Der Klimawandel kommt selbst uns Privilegierten so nahe, dass wir ihn Tag für Tag spüren. Der Schnee bleibt seit Jahren in den Städten nicht mehr liegen. Langsam wirkt das „Mama, was ist ein Schneemann?“-Schild vom Klimastreik etwas zu echt.
Wie wird es enden? Wenn das das Ende unserer Geschichte ist, dann will ich lieber kein Ende.
Meine Gedanken schweifen ab. Was ist mein Ziel? Ich kann nicht allein die Welt retten. Doch solange ich eine Stimme habe, werde ich schreien. Solange ich eine Stimme habe, bin ich nicht hilflos. Ich kann wenigstens laut sein, damit andere mich hören!
Ich stehe in der Dunkelheit der Nacht, liege nicht mehr wach in meinem Bett. Kann so nicht weitermachen, wenn es nicht besser wird. Wo ist die Hoffnung in Zeiten wie diesen? Ich möchte kein Ende, wenn es kein gutes ist. Lieber ein offenes Ende als etwas, das kein HAPPY END ist.
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