Otto hängt Stroh zum Hals heraus
Menschen. Menschen setzen Hals über Kopf ihren Hals über ihren Kopf. Immer, meistens, manchmal, nie? Sie tun das, weil sie den Hals nicht voll genug bekommen können. Es muss ihnen zu Kopf steigen. Alles muss ihnen zu Kopf steigen. Nur Wasser nicht. Wasser darf den Menschen nicht mal bis zum Hals stehen, weil es dann ziemlich ungemütlich werden kann. Wenn dem homo sapiens das Wasser bis zum Hals stehen würde, müsste er tauchen, tief tieftauchen, hinab in den Abgrund, den Abgrund der Entschuldigungen, Fehlereingeständnisse und potentiellen Wiedergutmachungs-Versuche, eben um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und seinen wertvollen Hals zu retten. Andernfalls würde er untergehen, jämmerlich untergehen. Aber noch Schlimmer wäre es, wenn er bis zum Hals in etwas steckt. Da kommt man nämlich nicht mehr alleine weg. Da bleibt alles so wie es ist, zumindest bis sich jemand erbarmt, zu helfen. Obwohl, es will auch nicht jeder gerettet werden.
Generell mag Otto Normalverbraucher keine Probleme. Die sollen ihm gefälligst vom Hals bleiben. (Einen Frosch im Hals will auch keiner, Tattoos sind ja inzwischen out. ) Probleme bedürfen einer Lösung und um eine Lösung zu finden, muss man sich den Kopf zerbrechen und ein zerbrochener Kopf ist bei Gott nicht erstrebenswert. Das ist anders, als beim Renovieren den Nagel auf den Kopf zu treffen und in die Wand zu hämmern, denn ein Nagel ist ja aus Eisen und Eisen ist hart. Köpfe hingegen bestehen aus Haut und Nerven und Knochen und sind somit wie diese Pakete und Kartons mit Gläsern, leicht zerbrechlich.
Oft werden Probleme von Mitmenschen verursacht, unliebsamen Mitmenschen. Das sind dann die, die man wirklich sehr lange am Hals hat. Da würde man wirklich am liebsten mit dem Kopf durch die Wand auf Nimmerwiedersehen, Hauptsache ganz weit weg. Gegen die Wand würde auch schon reichen, weil man sie dann danach nicht mehr hören muss und sehen muss und ertragen muss. Manchmal, in einer schwachen Sekunde, erwäge ich aber auch, Plagegeistern den Hals umzudrehen, nur um mich im Anschluss selbst zurechtzuweisen. Dann schlage ich mir die Idee doch wieder aus dem Pazifistenkopf, trauere ihr zwar ein wenig hinterher, allerdings ohne mir die Augen aus dem Kopf zu weinen und in weiterer Folge meinen Kopf zu verlieren, meinen Verstand zu verlieren.
Wegen der Ottos und auch all dem bleibt mir immer öfter der Bissen im Halse stecken und ich muss husten. Immer, meistens, manchmal, nie lange. Menschen haben Stroh in ihren Köpfen und weil sie ja nicht genug davon bekommen können, hängt es ihnen zum Hals heraus. Mir auch. Aber dann denke ich mir, dass ich den Kopf nicht in den Sand stecken darf, denn Sand im Kopf ist auch nicht besser als Stroh im Kopf.
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