Weltenentferntvon Gamze Cetin
Schon immer bewunderte ich deine Faszination an Sternen. Vor allem, wie deine Augen ihnen ähnelten, sobald du anfängst, über diese zu reden: Hell, glänzend.
Es ist beinahe gruselig, wie viel du über sie zu wissen scheinst. Wie sehr du sie liebst. Aber auch, wie sehr du ihnen ähnelst: Viele bewundern dich, schauen hoch auf dich und finden dich abgöttisch schön. Auch ich gehörte zu ihnen. Gehörte.
Denn niemand denkt daran, dass die Sterne weltenentfernt von der Erde, von der Menschheit sind. Keiner zieht in Betracht, wie distanziert sie somit sind, wie unerreichbar sie sind. Dass sie Dunkelheit brauchen, um zu scheinen.
Denn ich dachte, dass wir dasselbe unter Liebe verstanden. Mein erster Fehler. Eines von vielen.
Ich dachte, deine Behauptungen entsprechen immer der Wahrheit.
Du behauptest, die Dunkelheit sehen zu können. Das, was du in der Dunkelheit deines Schattens ruhen lässt, scheinen diese sensiblen Augen nie gesehen zu haben. Nie gesehen zu können. Nie gesehen zu wollen. Als wären sie dazu geschaffen, alles auszublenden. Alles, außer dich. Aber das war okay. Für dich ruhte ich gerne in der Dunkelheit, damit du scheinen kannst.
Du behauptest, die Stille hören zu können. Meine Stimme scheinen diese scharfsinnigen Ohren nie gehört zu haben. Nie gehört zu können. Nie gehört zu wollen. Als wären sie dazu geschaffen, alle Laute hindurchgehen zu lassen. Alles, bis auf deine Stimme. Auch meine leise Stimme, die immer lauter wurde. So laut, dass meine Stimmbänder drohten zu reißen. Aber das war okay. Ich fing an, mich mit dem Schweigen anzufreunden. Nur für dich. Für dich.
Du behauptest, das Zerbrochene reparieren zu können. Eine Ausnahme scheinen diese begabten Hände nicht reparieren zu können: Mich. Als wären sie dazu geschaffen, alles so zu formen, wie du es willst, ohne Rücksicht auf die Folgen zu haben. Nicht alles ist unzerbrechlich. Aber du hast keine Ohren, die imstande sind, das zu hören. Keine Augen, die das jemals einsehen könnten.
Du behauptest, dich mit Astronomie auszukennen. Dabei warst du immer so fest davon überzeugt, dass der Mond nichts Besonderes ist. Langweilig. Vorhersehbar. Aber da irrst du dich, denn du hörtest mir nie zu wenn ich sagte, dass der Mond immer nur eine Seite preisgab, dass sie nie im vollen Umfang sichtbar ist. Dass ein großer Teil von ihr verborgen ist.
Und dass ich dem Mond ähnle. Das habe ich durch dich kennengelernt.
Erst ab diesem Zeitpunkt habe ich bemerkt, dass ein Mond kein Freund eines Sterns ist.
Ich brauche jemanden, der mich durch seine glänzende Ausstrahlung und Wärme wieder zum glühen bringt und mir nicht meinen Glanz entnimmt, damit ich als Dunkelheit dienen kann. Dieses Jemand kannst und wirst nicht du sein. Ein Stern kann niemals als Sonne dienen. Das habe ich gelernt.
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